Rom, 25. März 2017
Ein Aufruf des „Europäischen Netzwerks Kirche im Aufbruch“
„IN DEM FESTEN WILLEN, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der
europäischen Völker zu schaffen,
ENTSCHLOSSEN, durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer
Länder zu sichern, indem sie die Europa trennenden Schranken beseitigen,
IN DEM VORSATZ, die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Völker
als wesentliches Ziel anzustreben“
unterzeichneten vor 60 Jahren, am 25. März 1957, die sechs Gründungsländer Europas den Vertrag
von Rom, den Auftakt zur Europäischen Union.
Doch wie steht es um Europa heute? Können wir den sechzigsten Jahrestag mit Festen und
Gedenkfeiern wie zum fünfzigsten Jahrestag begehen? Nein, als Bürger_innen Europas und als
Christ_innen müssen wir eine ernsthafte Analyse der Situation und der Krisen Europas vornehmen.
Unser Europa ist mit großen Veränderungen in der globalen geopolitischen Struktur der Welt
konfrontiert, mit der Ökonomisierung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den
Ländern der Welt. Ein radikaler Paradigmenwechsel hat stattgefunden: Anstatt das Finanzsystem in
den Dienst der Menschen in Europa zu stellen, werden die Menschen in den Dienst des Finanzsystems
gestellt und schaffen es nicht, sich effizient zu organisieren, um sich dieser Herrschaft zu widersetzen.
Europa ist auch konfrontiert mit einem "Dritten Weltkrieg", der in verschiedenen Regionen der Welt
stattfindet, insbesondere im Nahen Osten, wo die Lage am schwierigsten und zum Teil auch das
Ergebnis der Entscheidungen und Verhaltensweisen Westeuropas ist. Europa ist konfrontiert mit einem
neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, der die Ängste und Sorgen in Europa und in der Welt größer
werden lässt. Europa ist konfrontiert mit großen Migrationsbewegungen. Europa ist konfrontiert mit
blindem Terrorismus, der versucht, mithilfe der Religion überkommene Weltanschauungen
aufzuzwingen. Europa ist konfrontiert mit einer Wirtschaftskrise, die zu einer sozialen Krise geworden
ist, weil sie Massenarbeitslosigkeit produziert, die vor allem junge Menschen betrifft und alte
Solidaritäten zerstört. Europa ist konfrontiert mit einem Finanzsystem, das zunehmend auf Kosten der
Schwächsten geschützt wird und somit immer mehr die Ungleichheiten in der Welt und sogar innerhalb
einzelner Länder erhöht.
Aufruf des Europäischen Netzwerks Kirche im Aufbruch, 25. März 2017